Wenn wir bestimmte Menschen oder Situationen aus der Vergangenheit loslassen wollen, in denen wir unglĂźcklich waren, dann gelingt uns das trotz vieler Tipps und Ratschläge oft nicht. Es gelingt uns deswegen nicht, weil wir versuchen, die âPersonâ oder die âSituationâ loszulassen. Die aber kann man beim besten Willen nicht loslassen, sondern nur die Gedanken Ăźber sie. Darum ist es so schwer loszulassen. Wir packen es falsch an.
Vom Geben und Nehmen
Eine Weisheit mit viel Konfliktpotential
- Kategorie: Konflikte & Krisen
Die Redewendung âDas Leben ist ein Geben und Nehmenâ soll es schon seit Beginn der Menschheit geben und das ein Grundprinzip menschlicher Gemeinschaften ausdrĂźcken. Das hĂśrt sich plausibel an und die meisten Menschen werden dem so beipflichten kĂśnnen. Sie kennen es aus ihrem Alltag. Es ist ein Geben und Nehmen â und manchmal ist das Verhältnis zueinander ungleich.
Die Redewendung âDas Leben ist ein Geben und Nehmenâ soll es schon seit Beginn der Menschheit geben und das ein Grundprinzip menschlicher Gemeinschaften ausdrĂźcken. Das hĂśrt sich plausibel an und die meisten Menschen werden beipflichten. Sie kennen es aus ihrem Alltag. Es ist ein Geben und Nehmen â und manchmal ist das Verhältnis zueinander ungleich.
Es gibt Menschen, die geben mehr, und es gibt Menschen, die nehmen mehr als sie geben. Das finde ich nicht weiter tragisch, denn das Leben ist immer unausgewogen. Wenn zwei Menschen zusammenkommen, will ein Mensch mehr, der andere weniger. Der eine will länger zusammen am Tisch sitzen, der andere kßrzer. Der eine will mehr Sex, der andere weniger. Der eine will länger verreisen, der andere kßrzer. So gesehen gibt es keine Gleichheit.
"Geben und Nehmen" klingt wie "Zahn um Zahn"
Ekke Scholz
Obwohl es kaum eine Lebenssituation gibt, in der zwei Menschen genau das gleiche im selben Tempo wollen, in derselben Häufigkeit, in derselben Menge wollen, streiten wir uns um diese Nuancen und machen aus einer Mßcke einen Elefanten.
BuchfĂźhrung Ăźber das Geben und Nehmenâ
Wenn ich die Redewendung âDas Leben ist ein Geben und Nehmenâ hĂśre, denke ich auch an âWie du mir, so ich dir.â Das klingt weniger weise, sondern hĂśrt sich nach Drohung an. Aber das Prinzip dahinter ist dasselbe: es geht um Gegenseitigkeit. Es ist die diplomatische Variante von âZahn um Zahnâ.
Der gemeinsame Nenner, warum ich âGeben und Nehmenâ und âWie du mir, so ich dirâ zusammenbringe, ist vielleicht die gefĂźhlte Unfreiheit dahinter. âGeben und âNehmenâ klingt im ersten Moment charmant und positiv im Sinne einer guten Gemeinschaft, aber eigentlich steckt immens viel Druck dahinter.
Sobald wir etwas geben, erwarten wir, dass Ăźber kurz oder lang auch etwas zurĂźckkommt. Wir fĂźhren unbewusst ein Haushaltsheftchen mit zwei Spalten: eine Spalte fĂźr unsere guten Taten, und eine fĂźr die guten Taten der anderen â an und fĂźr uns. Freundschaftsdienste eben.
So manch ein Freundschaftsdienst kann sich wie eine Last anfĂźhlen, die man umgehend loswerden will: durch zeitnahes ZurĂźckschenken von etwas Gleichwertigem.
Glaubenssätze, die ein Geben und Nehmen verhindern.â
Geduldigere und spirituelle Naturen unter uns haben beim Gegenrechnen einen langen Atem, denn sie wissen, dass das Universum sie nicht vergisst und ihre gute Tat irgendwann belohnt wird. Solche Menschen rechnen halt in langen Zeiträumen mit. Nach auĂen fĂźhlt es sich groĂzĂźgig an, trotzdem ist es ein buchhalterisches Gegenrechnen im Sinne von âGeben und Nehmenâ.
Wie wir ja alle wissen, ist bei vielen Menschen das Verhältnis im Geben und Nehmen nicht immer im Gleichgewicht. Das ist sicherlich abhängig davon, mit welchen Glaubenssätzen wir in der Welt stehen. Ein Menschen mit einem gesunden SelbstwertgefĂźhl hat sicherlich die besten Voraussetzungen, um das Geben und Nehmen einigermaĂen ausgewogen zu leben.
Menschen mit einem Glaubenssatz wie âDas Leben ist nicht fairâ oder âKein Mensch interessiert sich fĂźr michâ oder âMich mag sowie keinerâ tun sich wohl eher schwer zu geben. Denn wer will schon, denken sie, von einer ungeliebten Person etwas nehmen?
Und sie kĂśnnen auch nicht wirklich etwas annehmen, weil sie sich nicht vorstellen kĂśnnen, dass die Freundschaftsdienste an sie von Herzen kommen kĂśnnten. An sie, die keiner mag.
Im Grunde genommen sind die Menschen mit so einem selbstzerstĂśrerischen Mindset raus aus der Nummer âGeben und Nehmenâ. Kein Geben, weil ihr âZeugâ sowie keiner mĂśgen wĂźrde. Kein Nehmen, weil sie nichts verdient haben.
Falsche Erziehungâ
Und sonst? Was ist mit den Menschen, die eine einigermaĂen gesunde Einstellung zum Leben haben? Ich glaube, dass es in unserer Gesellschaft verdammt schwierig ist, etwas unbekĂźmmert anzunehmen, ohne gleich zu Ăźberlegen, wie kann ich mich revanchieren.
Einen Menschen mit einer guten Kinderstube erkennen wir daran, dass er niemals ‚Ich‘ an den Satzanfang stellt. Und so, wie wir es formulieren und uns bescheiden an die zweite Stelle setzen, so sollen wir auch denken. Immer kommen die anderen zuerst. NatĂźrlich ist die ârichtigeâ Satzstellung des Ich eine Kleinigkeit, aber symbolisch dafĂźr, wie unsere Erzieher daran arbeiten, uns unseren sogenannten Egoismus auszutreiben.
Später, wenn wir uns in der Welt der Erwachsenen zurechtfinden mĂźssen, geht es genau so weiter: Zuerst die anderen. Die Ehemänner gehen altruistisch fĂźr die Familie arbeiten (âIch mach das nur fĂźr uns!â), die MĂźtter opfern sich fĂźr die Kinder auf und bringen ihnen bei, wie man sich nicht egoistisch verhält. Immerhin leben sie es vor â pädagogisch betrachtet vorbildlich.
Menschen, die beispielsweise wegen Burnout zum ersten Mal in eine Therapie gehen oder zum ersten Mal mit Selbsterfahrung konfrontiert werden, mĂźssen schmerzlich erfahren, dass das An-sich-selbst-denken kein Egoismus ist.
Die Angst, von den Mitmenschen als Egoist betrachtet zu werden, ist so in unser Hirn eingebrannt, dass es lange dauert, da wieder rauszukommen und ein gesundes Selbstvertrauen zu entwickeln.
Was ist daran das Schlimmste âŚâ
Wenn man einmal die Ăbung macht: Was ist das Schlimmste daran âŚâ, dann stoĂen wir immer wieder auf den Grund dessen vor, wo es wirklich mangelt: am SelbstwertgefĂźhl. FĂźr diejenigen, die diese Ăbung nicht kennen, zeige ich hier einen typischen Verlauf:
Eine Frau hat das Problem, alles perfekt machen zu mĂźssen. Sie leidet an dieser Forderungen, kann es aber nicht abstellen. Der Coach fragt sie, was ist das Schlimmste daran, wenn sie es nicht perfekt machen kĂśnnte.
Sie: âEs wäre einfach nur schrecklich!â
Er: âWas wäre daran das Schlimmste âŚ?â
Sie: âDie Menschen wĂźrden schlecht Ăźber mich reden!â
Er: âWas wäre daran das Schlimmste âŚ?â
Sie: âDie Menschen wĂźrden nicht sehen, wie ich wirklich bin!â
Er: âWas wäre daran das Schlimmste âŚ?â
Sie: âKeiner wĂźrde mich lieben.â
Er: âWas wäre daran das Schlimmste âŚ?â
Sie: âIch wĂźrde nicht mehr dazugehĂśren.â
Er: âWas wäre daran das Schlimmste âŚ?â
Sie: âIch wĂźrde verkĂźmmern. Keine Liebe. Einsamkeit.â
In den meisten Fällen, in denen die Menschen diese Fragenkaskade beantworten, läuft es am Ende darauf hinaus, dass sie â egal was sie tun â es tun, um die Einsamkeit und die fehlende Wertschätzung nicht nicht zu spĂźren. Die Achtung und Wertschätzung fĂźr ihr wahres Wesen. FĂźr das innere Kind.
Bedingungsloses Gebenâ
Und wir, die wir gelernt haben, unseren gesunden Egoismus zu verbergen (er lässt sich ja nicht wegerziehen), kÜnnen im Grunde genommen gar nicht so viel geben wie es im Sinne des Geben und Nehmen sein sollte.
Wir leben alle in einem Defizit von Wertschätzung und haben ein fehlendes Selbstwertgefßhl. Doch ohne ein gesundes Selbstwertgefßhl und einem nach Wertschätzung und Achtung und Respekt dßrstendem Selbst kann man nicht von Herzen geben.
Von Herzen geben bedeutet keine Gegenleistung zu erwarten. Und da stellt sich die Frage, wie das mÜglich sein soll. Wie kann ein leeres Herz bedingungslos lieben? Ist es da nicht zuerst einmal wichtig, sich selbst mit Wertschätzung und Respekt bedingungslos zu ßberhäufen?
In spirituellen Kreisen versuchen viele Menschen einen Weg zu bedingungsloser Liebe zu finden. Das ist ja einem bedingungslosem Geben sehr nah.
Was ist daran das Schlimmste âŚâ
Und wir, die wir gelernt haben, unseren gesunden Egoismus zu verbergen (er lässt sich ja nicht wegerziehen), kÜnnen im Grunde genommen gar nicht so viel geben wie es im Sinne des Geben und Nehmen sein sollte.
Wir leben alle in einem Defizit von Wertschätzung und haben ein fehlendes Selbstwertgefßhl. Doch ohne ein gesundes Selbstwertgefßhl und einem nach Wertschätzung und Achtung und Respekt dßrstendem Selbst kann man nicht von Herzen geben.
Von Herzen geben bedeutet keine Gegenleistung zu erwarten. Und da stellt sich die Frage, wie das mÜglich sein soll. Wie kann ein leeres Herz bedingungslos lieben? Ist es da nicht zuerst einmal wichtig, sich selbst mit Wertschätzung und Respekt bedingungslos zu ßberhäufen?
In spirituellen Kreisen versuchen viele Menschen einen Weg zu bedingungsloser Liebe zu finden. Das ist ja einem bedingungslosem Geben sehr nah.
Ein feines Sprungbrett zur bedingungslosen Liebe ist das „bedingungslose Geben“. Wer danach lebt, beschenkt andere und sich selbst.
Wer bedingungslos gibt, verschenkt sich. Er gibt, was er hat. Er gibt ohne Vorsicht, gibt ohne zu zÜgern, weil er nicht spekuliert, etwas zurßckzubekommen. Hat er gegeben, lässt er los. Kein Gedanke hängt mehr am Beschenkten: wann werde ich etwas zurßckbekommen?
Wer auf das bekannte „Geben und Nehmen“ pocht, wartet. Wer bedingungslos gibt, macht sich bereit fĂźrs nächste Verschenken.
Undankbarkeitâ
Ich finde, dass die Redewendung vom Geben und Nehmen belastet wird durch unsere Bewertungen. Geben ist âseliger als nehmenâ und Nehmen ist sowie nur fĂźr Egoisten. Diese angebliche Gegenseitigkeit kann ich nicht fĂźhlen.
Wer schenkt, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, kennt keine undankbaren Menschen.â
Ekke Scholz
Wer gibt, ohne auf Gegenseitigkeit zu bestehen, entledigt sich quasi all der undankbaren Menschen. Dieses „Entledigen“ findet nur im Geiste statt. Denn tatsächlich entledigt man sich seiner quälenden Gedanken, dass die anderen Menschen undankbare Menschen sind. Wenn es uns gelingt, tatsächlich alle Gedanken rund um das Nehmen und Geben abzulegen und uns selbst frei zu verschenken, dann bleiben wir als Individuuen zurĂźck, die nicht mehr hinter dem RĂźcken des anderen lästern: „Der ist so unglaublich undankbar!“
Ich liebe es, wenn Menschen FreudensprĂźnge machen. Wie ich. Der Weg dorthin – mein Ding. Gemeinsam verwandeln wir das Ich-Kann-Nicht in ein Wow-So-Gehtâs. Aus einem Irgendwann-Mal machen wir ein JETZT. FĂźr deine FreudensprĂźnge.
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