Ich gehöre nicht dazu

Die Macht der Gedanken: Wie unsere "Einbildung" die Realität beeinflusst

Manche Menschen haben den Gedanken: „Ich gehöre nicht dazu!“ Dieser Glaubenssatz wirkt sich auf das Lebensgefühl aus. Was macht der Gedanke mit uns?

Die Welt, so wie wir sie erleben, ist eine Mischung aus Tatsachen und „Einbildung“, also Gedanken über die Welt in Form von Überzeugungen, Meinungen und den sogenannten Glaubenssätzen.

Diese Gedanken sind Bewertungen oder subjektive Kommentare zu diesen Tatsachen und färben diese auf sehr individuelle Weise. Das ist der Grund, warum jeder von uns ein und dieselbe Situation anders erlebt als ein anderer.

Das meiste, was wir erleben, ist „homemade“. Eine kleine Tatsache wird mit viel gdanklicher Bedeutung aufgeladen. Diese Bedeutung verändert unsere Stimmung und unser Wohlbefinden. Erst die Bedeutung, die wir den Tatsachen geben, erzeugt in uns Stress.

Und so kann sich jeder fragen, was macht es eigentlich mit mir, wenn ich bestimmte Gedanken glaube. Wie fühlt es sich an? Welche andere Gedanken habe ich, wenn ich diesen oder jeden Gedanken über einen Menschen oder eine Situation habe?

Ich möchte das gerne einmal an einem Beispiel demonstrieren. Dazu nehme ich einen Satz, den viele von uns kennen, weil sie ihn selbst haben: „Ich gehöre nicht dazu!“ Im Internet findet man dazu den ein oder andere Artikel (MyMonk: „Je mehr du dazu gehören willst, desto mehr verlierst du dich!“).

Ich möchte mich in meinem Post allerdings nicht akademisch zu dem Thema ausbreiten, sondern versetze mich in einen Menschen, der den Gedanken „Ich gehöre nicht dazu“ immer wieder in bestimmten Situationen denkt. Natürlich kann es nicht alles erfunden sein, sondern fließen hier meine eigenen Erfahrungen rein – mir ist der Gedanken nicht fremd.

Ich gehöre nicht dazu​

Wenn ich den Gedanken „Ich gehöre nicht dazu“ denke und glaube, dass er wahr ist, dann fallen mir sofort all die Situationen ein, in denen ich mich im Umgang mit andern Menschen ein bisschen ungeschickt verhalte und verhalten habe. Situationen, in denen ich unsicher war und in denen es mir schwer fiel, auf die anderen zuzugehen.

Mir wird es leicht schlecht und ein großes Unwohlsein überkommt mich.

Da ich in diesen Situationen schon mit der Vorstellung reingehe, dass ich nicht dazugehöre, bin ich fast verängstigt und es ist mir nicht möglich, sicher aufzutreten. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Vorstellung, nicht dazuzugehören, lässt mich von vornherein auf Distanz gehen und verunsichert mich dermaßen, dass ich mich den anderen Menschen gegenüber völlig skurril verhalte. Bilde ich mir ein. Gewiss weiß ich es nicht, denn ich frage ja nicht nach. Vorsichtshalber und ich käme mir noch schräger vor. Aber ich bin mir ziemlich sicher!

Es schlägt mir total auf den Magen, wenn ich denke: „Ich gehöre nicht dazu!“ und ich gezwungen bin, mit anderen Menschen – Bekannte oder Fremde – umzugehen. Freundlich zu sein. Sie nicht vor den Kopf zu stoßen. Ich gehöre zwar nicht dazu, aber ich will dazugehören.

5plus1 schritte aus der Beziehungskrise

Beziehungskrise überwinden

In dem Leitfaden  „5 + 1 Schritte aus Deiner Beziehungskrise“ lernst Du die Schritte kennen, um Deine Beziehungskrise zu überwinden und wieder

  • mehr vertrauensvolle Gespräche zu führen.
  • klar und eindeutig zu kommunizieren.
  • emotionale Nähe herzustellen.

Da ich einerseits dazugehören will, und ich aber andererseits das Gefühl habe, nicht dazuzugehören, muss es so sein, dass die anderen mich ablehnen. Ist ja logisch. Die anderen lehnen mich ab. Woher sollte sonst das Gefühl kommen?

Keiner soll's merken​

Wenn ich mir vorstelle, dass ich von den anderen ausgeschlossen werde, darf es aber keiner merken, dass mir das etwas ausmacht. Ich versuche zu überspielen, dass ich merke, wie ich ausgeschlossen werde.

Ich zeige mich launig, lasse mir Witze einfallen als Zeichen einer gewissen Lockerheit – und gleichzeitig möchte aus der Gruppe fliehen. Wer ist schon gern mit anderen Menschen zusammen, die einen ablehnen. Es geht mir körperlich so richtig schlecht. Das Herz geht schneller, die Atmung wird flacher. Jeder innere Frieden ist dahin.

Selbst wenn jemand meine Witze mit einem Lacher honoriert, kann die Freude und Bestätigung darüber nicht über mein allgemeines Unwohlsein hinwegtäuschen. Nur raus, nur weg von den Menschen, bevor irgendjemand meine gespielte Coolness bemerkt. Ich gehöre nicht dazu.

Ich gehöre zu denen, die nicht dazugehören.​

Eigentlich würde gern die Dinge auf mich zukommen lassen. Gespräche und Gesprächsinhalte. Aber es geht nicht. Egal wo ich geh oder steh, ein Satz donnert durch meinen Kopf: Ich gehöre nicht dazu!

Wer so denkt wie ich, kann keine Gespräche führen. Gespräche und Kommunikation sind das A und O einer lebendigen Gemeinschaft, aber ich gehöre ja nicht dazu. Wahrscheinlich kann mich keiner leiden, weil Gespräche mit mir total langweilig sind.

Ich bin zwar neugierig auf die anderen, aber ich traue mich nicht Fragen zu stellen, weil ich mich aufdringlich fühle. Ich bin der Prototyp eines Menschen, der nicht dazugehört. I

ch gehöre zu denen, die nicht dazugehören. Deshalb sollte ich auf Distanz bleiben, weil je weniger ich mich auf irgendeinen Menschen einlasse, desto später wird man entdecken, dass ich keine Ahnung habe, wie man ein gutes anregendes Gespräch führt. Wie man natürlich und authentisch bleibt.

Eigenbrötelei​

Wenn ich denke, dass ich nicht dazugehöre, dann sehe ich nur die Situationen, in denen es mir schwer fiel oder schwer fällt, mich auf die Menschen einzulassen, die mir nicht geheuer sind. Die mir irgendwie unsympathisch sind.

Zwar hat jeder das Recht, andere Menschen abzulehnen, aber ich katapultiere mich damit auch gleich freiwillig aus der Gemeinschaft raus: Ich gehöre nicht dazu.

Ich will gar nicht wissen, dass in einer Gruppe keiner auf mich zukommt und mir Fragen stellt. Ich will gar nicht wissen, dass ich eigentlich gar keine Lust auf Menschen habe und ich lieber allein bleiben würde. Aber dieses Bedürfnis will ich mir nicht eingestehen, sondern diagnostiziere mir Eigenbrötelei als Krankheit, die ich in inneren und äußeren Dialogen besser verteidigen kann als das Bedürfnis nach Alleinsein.

„Eigenbrötelei“ ist natürlich super als Erklärung für mein manchmal komisches Verhalten. Wenn mein Bedürfnis mich zurückzuziehen groß ist und ich mich nicht wirklich traue, das zu kommunizieren, wird es schräg und ungelenk. Das spüre ich natürlich und dieses vage ungute Gefühl bestätigt nur, dass ich nicht dazugehöre.

Es fällt mir auf, dass ich meine Eigenbrötelei immer erst im Nachhinein als Rechtfertigung für ein bestimmtes unerwünschtes Verhalten hernehme. Ich kann ganz schlecht im Vorfeld schon sagen: „Pass auf, Schatz, ich werde mich gleich oder in absehbarer Zeit sonderbar verhalten.“

Sondern man kann immer das Argument, ein Sonderling zu sein, erst anbringen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Frei nach dem Motto, wie hätte ich mit meinen beiden linken Händen das Kind retten sollen.

Wenn ich dagegen öfter zu meinem Bedürfnis nach Alleinsein stehe würde, dann könnte ich das bereits klären, während andere mich einplanen und mit mir rechnen.

Heimlicher Gewinn​

Wenn ich denke, dass ich nicht dazugehöre, und das für absolute Wahrheit halte, kann ich mich gar nicht weiterentwickeln. Ich bleibe auf meiner Entschuldigung hocken und verbarrikadiere mich dahinter. Das ist der heimliche Gewinn des Gedankens: „Ich gehöre nicht dazu!“

Der Preis, den ich aber dafür bezahle, ist hoch. Wann immer ich mit anderen Menschen zusammenkomme, bleibe ich unsicher. Kann mich auf niemanden wirklich einlassen. Gedanklich bin ich stets bei meiner Entschuldigung und male mir aus, wie ich mich später bei meinem Gesprächspartner entschuldigen werde – und blende aus, dass ich das sowie nie mache werde, denn schließlich soll es ja keiner wissen, dass ich mich ausgeschlossen fühle.

Nicht umsonst stelle ich alles mögliche an, um das zu vertuschen. Dazu gehört es, unpünktlich zu sein. Es fällt zwar auf, dass ich zur knappen Verspätung neige, aber ich muss vorher keinen Smalltalk führen.

Nicht bei der Sache sein​

Bei Gesprächen versuche ich mich mit kritischen Zwischenfragen und Bedenken einzubringen, um zu zeigen, dass ich mitdenke. Aber eigentlich denke ich nicht mit, sondern achte nur auf die richtigen Momente, in denen ich mich einbringen kann.

Auch achte ich auf mögliche Aufhänger für einen Witz. Ich bin nicht wirklich beim Gespräch dabei, sondern achte nur auf Gelegenheiten für mich, mich einzubringen, damit keiner merkt, dass ich eigentlich nicht dabei bin.

All meine Aktivitäten, mit denen ich versuche zu vertuschen, dass ich mich außen vor fühle, führen dazu, dass ich nicht wirklich dabei bin.

Ich bemerke, dass wenn ich den Gedanken habe: „Ich gehöre nicht dazu“, dann stelle ich mir gern eine kleine Gruppe vor, die ich toll finde. Oder eigentlich eine einzelne Persönlichkeit in dieser Gruppe, die ich toll finde und deren Bewunderung ich gerne hätte. Immer wieder suche ich mir Menschen aus, die ich aus irgendeinem Grund bewundere und von denen ich bewundert werden möchte.

Die Leute, die mich klasse finden sollen, haben ein großes Manko: sie wollen bewundert werden. Würde ich zu ihrer „Gefolgschaft“ gehören, würden sie mich gar nicht wahrnehmen. Ich wäre nur Teil der Menschen, die sich devot um sie scharen. So sehr Menschen bewundert werden wollen, so sehr verachten sie gleichzeitig die, die sie devot bewundern.

Das unehrliche Jammern​

Sobald ich aber den Gedanken: „Ich gehöre nicht dazu“ nicht mehr für wahr halte und meinen Blick für alle Menschen um mich herum öffne, dann sehe ich vielleicht, dass ich dazugehöre. Sobald ich diesen Gedanken loslasse, lebe ich sofort in einer großartigen Nachbarschaft mit viel Nachbarschaftshilfe. Es gibt kaum jemanden, an den ich mich nicht wenden würde, wenn ich Hilfe brauche.

In meinem Beruf bin ich einer von vielen Kollegen, die viel Spaß miteinander haben und die gern an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Und meine Familie ist auch stets für mich da.

Wenn ich das sehe, ist es mir ein absolutes Rätsel wie ich denken kann, dass ich nicht dazu gehöre. Als würde ich „bewusst“ meine Augen verschließen vor dem, wie meine Lebenswelt tatsächlich ist. Als würde ich bewusst bestimmte Tatsachen ignorieren, weil sie nicht in mein Weltbild passen. Ich kann mich gut mit anderen Menschen unterhalten, aber das will ich nicht immer sehen und degradiere es zu einem meiner Schattenanteile. Ich bin im Grunde genommen unehrlich mit mir und suhle mich lieber in meinem Opferdasein und jammere lautlos: O weh, ich gehöre nicht dazu!

Überheblichkeit​

Und wenn ich genau hinschaue sehe ich auch, dass wenn etwas nicht ganz genau nach meinen Vorstellungen, mein Verstand den Verlauf der Dinge sehr persönlich nimmt und glaubt, dass sich das Leben gegen mich richtet. Ich gehöre nicht dazu: zum Leben. Zu einer, zu meiner Lebensgemeinschaft.

In gewisser Weise ist es arrogant zu erwarten, dass alles nach meinem Geschmack laufen soll. „Ich gehöre nicht dazu!“ ist das kleine Kind in mir, das sich abwendet, wenn die anderen nicht nach meiner Pfeife tanzen. Neulich hörte ich auf einem Spielplatz ein Kind immerzu schreiben: „Ich will entscheiden! Ich will entscheiden!“ War ich vielleicht früher auch so?

„Ich gehöre nicht dazu!“ ist nur ein Gedanke, ein Glaubenssatz, der so viel an Gefühlen, Unwohlsein und weiteren Gedanken auslöst, die ich nur nicht zu glauben brauche. Es entsteht eine Welt aus Hinzudichten und Wegdenken.

Wahrheit ist das, was ich für wahr halte. Gedanken kommen und gehen – oder welche soll ich für wahr halten?

Dieser Text ist eine Art Spiel. Ich tue so, als würde ich den Gedanken „Ich gehöre nicht dazu“ heute noch glauben. Doch ist diese Zeit vorbei, aber meine alten Erfahrungen sind hier eingeflossen und haben mich als Teil meiner Vergangenheit wieder eingeholt. Längst weiß ich, dass ich dazugehöre. Wie auch immer.

Kennst du deine Gedanken?​

Manche unserer Gedanken, die wir für wahr halten, halten uns zwar auf Trab, aber lassen uns nicht leiden. Das kann jeder selbst entscheiden, ob es sich für ihn lohnt, seine Gedankenwelt einmal genauer zu untersuchen und ob es sich für ihn lohnen würde, seinen Stress, den er Tag für Tag hat, loszulassen.

Ein wunderbares Werkzeug ist The Work of Byron Katie, das mir geholfen hat, all meine Gedankenschleifen und nachtragenden Gedanken loszulassen. Heute lebe ich frei und voller Freude.