Klare Kommunikation

Klartext statt Missverständnisse: So gelingt klare Kommunikation in jeder Situation

Menschliche Kommunikation bringt uns zusammen und schafft Distanz. Ein falscher Satz zur falschen Zeit – und schon ist die ganze emotionale Nähe, die wir gerade noch gespürt haben, dahin. Mit Worten schaffen wir Barrieren und bauen Hindernisse. Mit Worten reißen wie sie nieder und überwinden sie.

Das richtige Wort zur rechten Zeit kann ein wunderbarer Trost sein.

Wir können reden und reden, und keiner versteht uns. Manchmal reicht ein Wort, um alles zu sagen.

Mit Worten wollen wir Klarheit schaffen und produzieren doch nur Missverständnisse, im schlimmsten Fall StreitKlare Kommunikation fühlt sich anders an.

Mit denselben Worten, mit denen wir ein Missverständnis in die Welt gebracht haben, wollen wir das Missverständnis aus der Welt schaffen. Uns fehlt die Möglichkeit, ein und denselben Sachverhalt mit anderen Worten zu beschreiben, weil wir denken, dass unsere Worte der Sachverhalt sind. Warum sollen wir einen roten Stuhl einen grünen Stuhl nennen, wenn er rot ist?

Wir haben das Gefühl, klar zu kommunizieren, und wundern uns, wie wir missverstanden werden können. Dummheit ist – so sagt es ein chinesisches Sprichwort – immer wieder dasselbe zu tun und unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten. Das gleiche gilt für unser sprachliche Kommunikation. Was für uns klare Kommunikation ist, ist für andere klares Kauderwelsch. Kommunikationsmodelle wie das Kommunikationsquadrat von Friedhelm Schulz von Thun helfen zu gegenseitigem Verständnis und mehr Ausdrucksmöglichkeiten.

Der Kommunikations-Apparat​

Was wären wir nur ohne Kommunikation? Mit gewählten Worten und vorsichtigen Händen können wir uns gegenseitig beglücken, wertschätzen und unseren gegenseitigen Respekt ausdrücken. Wir können unsere Freude zeigen und teilen, unsere Wut, die Trauer und unsere Ängste mit anderen Menschen teilen.

Für eine klare Kommunikation braucht es einen ganzen Kommunikationsapparat. So wie der Bewegungsapparat aus mehreren Einzelelementen besteht wie Muskeln und Knochen, Sehnen und Gelenken, so nutzt der Kommunikationsapparat verschiedene Organe wie den Kehlkopf mit seinen Stimmbändern und die Ohren mit ihren Trommelfellen etc. Und auch der Bewegungsapparat ist Teil unserer Kommunikation, wenn wir mit Händen und Füßen reden (Gestik) und unser Gesicht ständig unsere Befindlichkeit zeigt (Mimik).

Voraussetzung für klare Kommunikation ist ein komplexes gesundes Kommunikations-Organ. Wenn wir es trainieren, wächst unser Ausdrucksvermögen. Wenn wir es nicht benutzen, verkümmern unsere Ausdrucksmöglichkeiten.

Einerseits braucht es keinen Empfänger für unseren Ausdruck, doch ohne einen Empfänger wirken Gefühle, Empfindungen und Gedanken manchmal kraft- und sinnlos. Überflüssig.

Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.

Paul Watzlawick

So stellen sich Menschen, die alleine leben, auch immer wieder die Frage: Wozu soll ich meine Freude ausdrücken? Wozu meine Wut rauslassen, wenn keiner da ist, der sie nachempfinden kann? Wozu mich mit meiner Angst auseinandersetzen, wenn ich am Ende mit ihr allein bleibe?

Kommunikation ist das „Ding“ zwischen einem Sender und einem Empfänger. Sie ist die gelebte Beziehung.

Kaputt erziehen​

Viele unter den älteren von uns haben sicherlich das Sprichwort, „Reden ist Silber und Schweigen ist Gold.“ Schweigen wird dabei wie eine Tugend hochgehalten. Und wer das nicht schon als Kind verinnerlicht hatte, dem wurde gesagt: „Erst reden, wenn du aufgefordert wirst!“

Am Ende werden Menschen dazu erzogen, ihre Kommunikation einzustellen. Aufgefordert zu reden werden Menschen nach ihrer Schulzeit kaum noch. So hocken sie denn da, haben nichts und wissen nichts zu sagen. Sie fragen achselzuckend: „Was soll ich schon sagen?!“

Um unseren Bewegungsapparat zu stärken, gehen einige von uns pumpen. Doch eine klare Kommunikation trainieren? Wie albern ist das denn? Häßliche Streits, Kränkungen, seelische Distanz, Verletzungen und Missverständnisse – was soll’s. Augen zu und durch. Leben ist endlich, alles geht vorbei.

Aber ein Leben voller Trennungen oder der Reue, den falschen Partner gewählt zu haben, ein Leben mit vielen falschen Hoffnungen, unüberwindlicher Streits mit den eigenen Kindern oder Eltern, ein Leben mit den falschen Nachbarn tut so richtig weh! Ein Leben voller Unverständnis, verpasster Chancen, Verachtung für sich und andere Menschen und ständiger Enttäuschungen kann keiner nur einfach runterschlucken.

Ein regelmäßiges Kommuniaktonstraining mit monatlichen „Studio“-Gebühren würde eine klare Kommunikation begünstigen. Gruppen für Gewaltfreie Kommunikation bieten ein solches Training kostenlos oder gegen geringe Aufwandsgebühren an.

Klare Kommunikation ist nicht nur Sprache​

Viele Menschen reduzieren Kommunikation auf Sprache. Nach ihrem Verständnis reicht es zuzuhören und den Worten zu lauschen. Gestik und Mimik betonen oder „widersprechen“ den Worten des Sprechers, was die meisten Menschen nur unbewusst „im Augenwinkel“ wahrnehmen. Seltsamerweise. Denn die Gestik und Mimik als „analogen“ Formen der Kommunikation sind viel archaischer und unverstellter.

Im besten Fall verhalten sich Gestik und Mimik kongruent zur Sprache, im schlimmsten Fall verwässern sie eine klare Kommunikation. Wir haben sie weniger im Griff als Worte, mit denen wir schnell uns und anderen etwas vormachen oder lügen können.

Man denke nur einmal an einen neidischen Menschen, dem wir stolz von einer teuren Errungenschaft erzählen. Zwar sagt er, wie sehr er sich für uns freut, aber gleichzeitig verzieht er die Mundwinkel nach unten und weichen seine Augen unserem Blick aus. Sein ganzer Körper redet von seinem Neid, während seine Worten das Gegenteil behaupten. Authentizität sieht anders aus. Sie würde den Neid auch zugeben – und könnte außerdem Mitfreude zeigen.

Unser Körper als Ausdrucksorgan ist archaisch, unmittelbar und ehrlich geblieben, während die Sprache, die wir menschheitsgeschichtlich erst später erworben haben, mittlerweile ein Ausdrucksmittel geworden ist, das sich verselbständigt hat.

Mit Hilfe der Sprache können wir engste Verbundenheit mit anderen Menschen herstellen und wir können die größtmögliche Distanz schaffen. Worte können „Tatsachen“ und „Situationen“ erfinden, Worte können Taten leugnen und mit Hilfe unserer Sprache können wir lügen und täuschen.

Worte provozieren und Worte beschwichtigen. Unsere Sprache als Kommunikationsmittel ist ein Panoptikum menschlicher Möglichkeiten. Sprache schafft eine Wirklichkeit, die mal mehr, mal weniger von den Tatsachen abweicht.

Vom Schönreden und Schlechtmachen​

Mit Hilfe der Sprache können wir Tatsachen bewerten und sie uns begreifbar machen. Und letzten Endes haben wir die Wahl und Freiheit, wie wir über einen Sachverhalt urteilen.

Wir können Massentierhaltung schlechtmachen, weil sie mit dem Tierwohl und Tierschutz nicht vereinbar ist, und wir können sie schönreden, weil sie unseren Geldbeutel schont und weil wir sie für unvermeidbar halten. Tatsache allein ist, dass Tiere auf engstem Raum zusammenleben.

Das Fremdgehen des Partners können wir ablehnen und schlechtmachen, weil es gegen unsere Werte und Vorstellungen einer guten Partnerschaft verstößt, oder wir können es schönreden, weil sich der Partner sexuell bei einer anderen Person austobt und uns nicht länger sexuell behelligt. Tatsachen allein ist, dass sich der Partner mit einer anderen Person trifft.

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Je nachdem, welche Bedeutung unser Verstand dieser Tatsache gibt, bewerten wir es als positiv oder negativ. Wenn uns bewusst wird, wie frei unsere Gedanken sind bzw. wie frei wir sind, unseren Gedanken eine bestimmte Richtung zu geben, dann ist schon viel erreicht auf dem Weg zu echter Freiheit.

Sprache macht Gedanken sichtbar​

Wie stark unsere Sprache unsere Wirklichkeit und Realität kreiert, konnte man meßbar nachweisen bei der Untersuchung von depressiven Menschen. Sie benutzen unverhältnismäßig oft Worte wie „immer“ oder „nie“ oder keiner“. Sie sind immer die Leidtragenden, immer die Vernachlässigten. Sie haben nie Glück. Und niemand mag sie. Nicht einmal die Eltern.

Und in dem Maße, wie solche generalisierende Worte wie „immer“ und „nie“ Sachverhalte aufblasen, so verhindern sie gleichzeitig den Blick auf andere Sachverhalte, die ebenfalls da sind, aber nicht gesehen werden sollen. Worte wie „immer“ und „nie“ betonen unsere Opferhaltung.

Die Welt auf diese Art und Weise wahrzunehmen ist wie mit einem aufgegangenen Airbag Autofahren.

Unser Verstand ist der Ort, an dem unsere Realität wird. Unsere Sprache formt diese Wirklichkeit und gibt ihr eine Gestalt. Irgendwann in unserem Leben haben sich die Weichen hin zu einer optimistischen oder pessimistischen Lebenshaltung gestellt.

Bestimmte Lebensumstände lenken unser Leben nicht zwingend in eine bestimmte Richtung. Es gibt ausreichend viele Beispiele für Menschen, die trotz widriger Umstände sich zu Optimisten, Illusionisten und Schönrednern entwickelt haben, und es gibt Menschen, die trotz superbehüteter Kindheit zu Nörglern und Misanthropen wurden.

Wie ich in den vorhergehenden Kapiteln beschrieben habe, leben wir in einer Welt, von der wir glauben, dass wir sie mit unseren Mitmenschen glauben genauso zu teilen wie wir sie erleben. Doch weit gefehlt. Im Grunde genommen sind wir alle Einsiedler in unserer Welt, in unserer Realität, die nur wenige Schnittstellen mit unseren Mitmenschen hat.

Mit Hilfe unserer Sprache können wir differenziert unsere Realität beschreiben. Doch nutzen wir die Kommunikation weniger dafür, uns zu verständigen und emotional zusammenzukommen, sondern sie dient uns als Mittel, uns gegenüber dem anderen klar zu positionieren. Viele noch so einfache Gespräche arten aus in Rechthaberei. In jedem Streit ringen wir darum, wer die Wirklichkeit am richtigsten sieht. Wer recht hat.

Klare Kommunikation bedeutet nicht nur, den anderen davon zu überzeugen, dass wir auf der richtigeren Seite stehen, sondern sich auch für den anderen mit seiner Realität zu öffnen. Klare Kommunikation ist keine Einbahnstraße, sondern ein gegenseitiges Verständnis suchen.

Kommunikation ist nicht das "Sprech" von dir zu mir, sondern Kommunikation ist unsere Beziehung.​

Paul Watzlawick

Klare Kommunikation ist nicht allein der angewandte Umgang mit den verschiedenen Kommunikationsmodellen, das Verständnis für sprachlichen Fallstricke, sondern auch die Bereitschaft und gelebte Wissen um die andersartige Realität des Empfängers.

Wer als Vertreter der gewaltfreien Kommunikation beispielsweise nur Giraffensprache statt Wolfssprache nutzt, aber kein inneres Verständnis für die Realität des anderen mitbringt, dessen Kommunikation bleibt auf einer technokratischen Ebene stehen. Selbst Giraffensprache sprechen und den anderen mit seiner Wolfssprache hören und annehmen, ohne ihn zu einer gewaltfreien Kommunikation zu drängen.

Die Wahrhaftigkeit seiner Realität hinterfragen​

Kommunikation mit sich selbst ist der Weg, um sich aus einem unzufriedenen und depressiven Leben zu befreien und sich aus seiner Lebensgeschichte herauszuschälen und weiterzuentwickeln.

Das Zauberwort heißt „Hinterfragen“. Mit sich selbst in Kontakt treten – und was eignet sich dazu besser als seine Gefühle und Emotionen? Statt sich mit seinen Gedanken zu identifizieren, Kontakt aufnehmen und eine Inventur seiner Glaubenssätze und Einstellungen, seine Überzeugungen und Meinungen machen. Wie verhalte ich mich tatsächlich? Was will ich nicht über mich wissen? Überhaupt, was blende ich aus meinem Leben aus? Wo trage ich die Verantwortung für mein Leben und wo kann ich ansetzen, es zu ändern.

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Fallbeispiel

Gedanken raten

Sonja kommt zu einem meiner Präsenzseminaren mit Rückenschmerzen angereist, ohne dass sie es jemandem zeigt oder es in der Runde anspricht. Sie will kein Aufhebens um sich machen. 

In der Pause wechselt sie vom Stuhl auf das Sofa, wo sie sich flach hinlegt. Die anderen Teilnehmerinnen arrangieren sich damit, dass außer Sonja keiner auf dem Sofa Platz hat. Keine sagt etwas. Jede isst ihren Vesper auf dem Stuhl oder auch im Stehen („Ach, es tut so gut, mal zu stehen!“). 

Irgendwann aber muss Soja auf Toilette. 

Als sie zurückkommt, liegt Julia auf dem Sofa.

Sonja stutzt erst, fängt sich und legt sich längst neben das Sofa. Den Kopf stützt sie auf den Arm, und so schaut sie unentwegt hoch zu Bärbel … aber nichts passiert.

Eher zufällig kommen wir nach derPause auf diese Situation zu sprechen. Und es stellt sich heraus, dass Sonja – während sie vor dem Sofa lag – erwartet hatte, dass Julia es doch spüren musste, dass sie wegen der Rückenschmerzen auf dem Sofa gelegen hatte. Aber nicht nur das: außerdem hat sie erwartet, dass wenn Julia schon von Sonjas Rückenschmerzen wüsste, sie mit Sicherheit ungefragt Platz machen müsste.

Sonja hat also erwartet, dass Julia erstens ihre Gedanken lesen kann und zweitens sofort Platz machen müsste. Das waren viele Erwartungen und Enttäuschungen auf einmal. Kein Wunder, dass sie es nach der Pause irgendwie schaffte, dass die Gruppe auf diese Situation zu sprechen kommt.

Ich finde es ein wunderbares Beispiel dafür, wie wir uns selbst mit unseren Erwartungen das Leben schwer machen. Unsere Mitmenschen – oder unser Partner – soll erraten, was wir uns selbst nicht trauen zu sagen. Projektion pur. 

Wenn du in deiner Beziehung etwas richtig schlecht machen möchtest, dann lass deinen Partner deine Gefühle und Gedanken, deine Wünsche und Bedürfnisse raten, und erwarte, dass er sie dann automatisch erfüllt.

Selbsterfahrung

Selbsterfahrung ist auch Selbstgespräch. Es ist Selbstreflektion durch klare Kommunikation mit seinem Leben. Es nicht nur zu beleuchten, sondern zu durchleuchten. Durch das Mitgefühl mit sich selbst wächst auch die Bereitschaft, klar und ehrlich mit sich selbst zu kommunizieren.

Durch eine klare Kommunikation fallen die Probleme nicht von uns ab, aber wir lernen mit ihnen umzugehen – mit innerer Freiheit und Klarheit.