Grundgefühle des Menschen

Gefühle verstehen und kommunizieren: So stärkst Du Deine Beziehung.

Sogenannte Grundgefühle gelten als Gefühle, aus deren Mischungen sich andere Gefühle ableiten lassen. Wie viele und welche Grundgefühle es gibt, ist umstritten.

Über die Angst, Freude, Trauer und Wut als Grundgefühle scheinen sich die Forscher einig zu sein. Ebenfalls in den Ring werden noch Ekel oder auch Scham. Außerdem wird noch über Verachtung, Erregung oder Verlegenheit diskutiert.

Bevor ich in die Beschreibung der Grundgefühle einsteige, möchte ich darauf hinweisen, dass ich den häufig verwendeten Begriff „Basisemotionen“ bewusst nicht verwende, da ich zwischen Gefühlen und Emotionen unterscheide. Dazu mehr im Absatz über „Emotionen„.

Welchen Platz nehmen Gefühle in Verbindung von Tatsachen und Gedanken ein? Sind es Gedanken, die bei uns Gefühle auslösen? Oder sind es die Tatsachen, die wir wahrnehmen, und ihnen folgen unsere Gefühle?

Welches Gefühl sollte es bei uns auslösen, wenn wir durch eine Fußgängerzone schlendern und dabei die Menschen einfach nur beobachten?

Menschen kommen uns entgehen, Menschen schlendern an uns vorbei, bleiben stehen, biegen ab, kreuzen sich, nehmen auf einer Bank Platz, unterhalten sich. Welche Gefühle könnten solch neutrale Beobachtungen auslösen?

Wie aber verändert sich die Situation, wenn in derselben Situation bewertende Gedanken auftauchen? Gedanken wie: „Viel zu viele Menschen. Es ist alles so eng, viel zu eng! Die kommen mir zu nahe“. Dann wird aus der neutralen Menschenmenge etwas, was einen wütend macht oder ängstigt. Oder beim Anblick von Paaren, die Hand in Hand über die Fußgängerzone flanieren, werden wir als unfreiwilliger Single vielleicht traurig.

Gefühle folgen also den Gedanken, so wie das Nach-Denken den Tatsachen folgt.

Doch bevor wir uns den Grundgefühlen zuwenden und sie von den Emotionen unterscheiden, will ich mit ein paar Worten auf den Begriff der Empfindungen näher eingehen, das im Zusammenhang mit Gefühlen immer wieder benutzt wird.

Empfindungen​

Empfindungen sind das bewusste oder unbewusste Erleben der sensorischen Reize unserer Wahrnehmungskanäle. Damit sind nicht allein die körperlichen Reize wie beispielsweise ein Kribbeln oder Temperaturempfindungen gemeint.

Neben den körperlichen sind uns die auditiven und visuellen Empfindungen auch sehr vertraut.

Reiz ist nicht nur Reiz. Alle Empfindungstypen unterscheiden eine Vielfalt verschiedener Qualitäten, zu denen viele Menschen keinen bewussten Zugang haben.

So können Töne sehr hoch sein, laut oder leise, gleichbleibend oder unterbrochen. Der Klang kann wohltuend oder schrill sein. Man denke nur daran, wie unterschiedlich die Stimme eines Menschen auf uns wirken kann.

Kein Wunder, dass beim Online-Feedback für Hörbücher die Stimme des Sprechers oder der Sprecherin ein wichtiges Kriterium ist. Auch ich höre nicht gern Hörbücher, wenn für mich die Stimme nicht passt.

Auch unsere kinästhetischen Empfindungen zeigen eine reichhaltige Palette von Qualitäten. So können sich körperliche Reize langsam oder schnell ausbreiten. Sie können pulsieren, sich verdichten oder auflösen. Sie können warm oder kalt sein. Enge im Brustkorb ist genauso eine körperliche Empfindung wie der Kloß im Hals.

Die Qualität visueller Empfindungen reicht von hell, grell, scharf oder unscharf, kontrastreich und -arm, etc.

Auch Empfindungen, die wir in der Vergangenheit hatten und heute wieder wachrufen, sind Reize in der Gegenwart.​

Empfindungen erleben wir stets als Reiz im Jetzt oder Moment. Selbst dann, wenn wir gedanklich in die Vergangenheit gehen und bestimmte Empfindungen wieder wachgerufen werden, so ist es ein Reiz in der Gegenwart. Zwar können wir sagen: „So hat es sich damals angefühlt!“, aber dieses „Anfühlen der Vergangenheit“ ist ein Reiz, den wir in der Gegenwart erleben.

gefühle

Wer sich irgendwann einmal auf die Reise nach innen macht, um sein alltägliches Leid zu beenden, wird sich schnell mit der Frage beschäftigen: „Was ist zuerst? Gedanke oder Gefühl?“

Um es kurz zu machen: Es sind die Gedanken. Jedem Gefühl geht eine gedankliche Bewertung voraus. Unser Verstand fällt ein Urteil, findet etwas gut oder bedrohlich. Wir sind vielleicht enttäuscht über unseren Partner und werden wütend oder traurig, weil es nicht die erste Enttäuschung ist. Wir fühlen Hilflosigkeit und werden traurig.

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Wenn unsere Gedanken in die Zukunft abschweifen und wir sehen dort nur Unheil auf uns zu kommen, packt uns die Angst. Die Partnerin trifft sich mit einem alten Schulfreund und wir werden eifersüchtig. Oder ein jüngerer Mitarbeiter scheint uns im Betrieb rechts zu überholen; und wir befürchten unsere Entlassung. Angst besetzt unser Körper-Geist-System ein.

Mal angenommen, es wäre anders herum: Nicht der Gedanke wäre zuerst, sondern das Gefühl. Irgendeins. Wie aus heiterem Himmel bekommen wir beispielsweise Angst. Und dann … ? Fügen wir dann irgendeinen Gedanken hinzu, der irgendwie plausibel klingt und gut dazu gut passt?

Sicherlich beschleicht uns manchmal ein Gefühl wie Angst oder eine unterschwellige Wut, von der wir nicht wissen, wo sie herkommen. Es „fühlt“ sich an, als sei nur ein Gefühl da, und die flirrenden Gedanken in unserem Kopf fühlen sich wie Mitbrinsel von Gefühlen an.

Verwaiste Gefühle

Wie kommt es dazu, dass von der Ursache-Wirkungs-Kette „Gedanke erzeugt Gefühl“ manchmal nur ein Gefühl bleibt?

Wir alle können zwar alle denkbare Gedanken denken, aber nicht jeder Gedanke ist erwünscht und – schlimmer – erlaubt. Unsere innere Kommandobrücke passt auf, welche Gedanken unser Bewusstsein erreichen und welche Gedanken wir weder denken noch laut aussprechen dürfen.

Im Coaching ist es immer wieder erstaunlich, wir oft Gedanken gedacht werden und vom Coachee ausgesprochen werden – wie ein Versehen, das so schnell wie möglich wieder zurückgenommen werden soll.

Wir unterdrücken oder leugnen bestimmte verbotene oder unerwünschte Gedanken, unsere Meinungen und Glaubenssätze. Trotzdem haben wir sie. Für einen kurzen Moment blitzen sie auf – und tauchen wieder ins Unbewusste ab. Was bleibt ist das Grundgefühl, das die Gedanken ausgelöst haben.

Verwaiste Gefühle sind Gefühle, die den Zusammenhang zu ihrem auslösenden Gedanken verloren haben.​

An dieser Stelle will ich ein Beispiel aus meinem Leben erzählen. Es kam immer wieder vor, dass ich mit einer “heimlichen“ Freude durch den Alltag irrte, und ich nicht wusste, warum. Bis ich eines Tages feststellte, dass ich mich immer wieder auf etwas freute, auf das ich mich nicht freuen „durfte“. Denn meine Mutter hatte mir schon sehr früh eingeschärft, dass ich mich nicht zu früh auf Dinge freuen sollte. In bester Absicht, klar, sie wollte mir Enttäuschungen ersparen.

Irgendwann war es mir in Fleisch und Blut übergangen, mich nicht zu früh auf etwas zu freuen. Ich verbot mir die Gedanken an das, auf das ich mich hätte freuen können – aber die Freude blieb als Gefühl, von dem ich nichts wusste, wo sie herkam.

Die vier Grundgefühle

Die Freude​

Wer die nicht kennt, ist arm dran. Die Freude ist ein Lebenselixier, die wir – ganz im Gegensatz zu den anderen Gefühlen – suchen. In der wir am liebsten baden würden. Aber auch sie ist wie jedes andere Gefühl flüchtig und nur von kurzer Dauer.

Mit ihr verbinden wir Erfüllung, Daseinsbejahung. Für sie lohnt es sich zu leben.

Freude erleben wir, sobald unser Verstand sagt: „So ist es in Ordnung!“ Was auch immer es sein mag.

Es ist nicht immer leicht zu glauben, dass sich Gefühle wie Freude oder Wut kraft Gedanken „produzieren“ lassen. Denn dann könnten wir uns ja ständig selbst in Freude hineindenken. Und manch einer versucht’s: mit dem Positiven Denken, das eine Zeit lang modern war.

Bei diesem Ansatz sollen negative belastende Gedanken und Gedankenschleifen durch positive Gedanken ersetzt werden, um eben zu mehr Freude und einer positiven Lebenshaltung zu kommen. Affirmationen gehören ebenfalls in die Kategorie des positiven Denkens. Sobald wir einen negativen Gedanken durch Selbstbeobachtung identifiziert haben, soll dieser durch einen positiven Gedanken ersetzt werden, den man mehrmals am Tag laut ausspricht, so dass er im Laufe der Zeit in Fleisch und Blut übergeht.

So gesehen ist dieser bewusste Wechsel von positiven und negativen Gedanken ein schönes Beispiel dafür, dass das Schlechtmachen und das Schönreden der Welt nur zwei Seiten ein und derselben Medaille sind. Es geht nicht um die Tatsachen an und für sich, sondern um unser Urteil.

Soll ich schlecht über eine Sache reden, soll ich gut über eine Sache reden? Letzten Endes ist ja nicht der Sachverhalt oder die Tatsache als solches schlecht oder gut, sondern es ist eine Bewertung unseres Kopfes. Unsere sogenannte Realität ist eine „Erfindung“ des Verstandes.

Die Freude, die wir erleben, ist ein Zeichen dafür, dass unser Verstand einen Sachverhalt positiv bewertet. In diesem Moment ist die Welt in Ordnung. Ganz anders erleben wir die Welt beim nächsten Grundgefühl.

Die Wut​

Die Wut ist eine wunderbare Kraft, um Dinge zu ändern, die wir ändern wollen. Sie entwickelt sich, wenn für uns etwas nicht stimmt und wir Gedanken haben wie „Dies sollte anders sein!“ – „Das ist ungerecht!“ „Das muss ich sofort ändern!“.

Die Wut ist die Kraft, die wir brauchen, um uns die Welt so zu gestalten, dass wir uns in ihr wohl fühlen. Mit ihr bringen wir die nötige Energie auf, um unsere Selbstwirksamkeit zu spüren.

Leider hat die Wut keinen guten Ruf. Einerseits erwarten wir von erfolgreichen Menschen ein gewisses Maß an Durchsetzungsvermögen, andererseits macht sie uns auch Angst, weil wir oft nicht angemessen mit ihr umgehen können.

Zunächst einmal ist die Wut nur ein Grundgefühl, das gefühlt werden will. Sie muss nicht sofort ausgedückt werden. Man muss unterscheiden zwischen dem Gefühl und der Strategie, dieses Gefühl auszudrücken. Leider wird das immer wieder in einen Topf geworfen.

Strategien, sich auszudrücken​

Jeder Mensch hat seine eigene Art und Weise, Gefühle wie beispielsweise seine Wut auszudrücken und zu zeigen. Gewalttätigkeit ist nur ein Ausdruck. Manche Menschen trauen sich gar nichts und unterdrücken alles, was sich nach Wut und Aggression anfühlt.

Doch ganz und vor allem dauerhaft lässt sie sich nicht unterdrücken. Sie zeigt sich in spitzen Bemerkungen, Ironie, Sarkasmus oder in einem plötzlichen Wutausbruch, bei dem man sich selbst nicht wiedererkennt.

Vor einigen Jahre habe ich eine Frau gecoacht, die eine Wut auf ihren Vater hatte, der bei Familientreffen immer wieder seine alten Geschichten auftischte. Aus Respekt vor ihrem Vater hat sie ihren Ärger für sich behalten und nie etwas gesagt.

So ganz für sich behalten konnte sie diese Wut auf alte Geschichten und Wiederholungen nicht. Die bekam ihr Lebensgefährte ab, sobald er in den Tagen nach den Familienfesten auch nur andeutungsweise etwas erzählen wollte, was sie schon kannte. Sofort fuhr sie ihm über den Mund: „Was glaubst du, wie oft du das schon erzählt hast?“

Wut ist eben nicht gleich Gewalt. Man kann seine Wut einfach nur spüren und sich überlegen, wie will ich diese Wut als Kraft nutzen. Fokussiert und gezielt. Was genau will ich ändern? Was genau ärgert mich an der Situation?

Wer seine Wut in den Griff  bekommen will, der muss zunächst einmal diese Entscheidung treffen können:  Was ist das Gefühl und was ist die Strategie, sie auszudrücken? Die Wut als Gefühl ist nicht bedrohlich, aber die Strategie, sie rauszulassen oder eben nicht rauszulassen und sie in den inneren Schatten zu verdrängen, wo sie wie ein Dämon ihr zerstörerisches Unwesen treibt.

Welche Strategie nutzt du, um deine Wut auszudrücken? Nutzt du sie, um etwas zu ändern, oder verpufft sie nur leise?

Die Trauer​

Die Trauer entsteht, wenn wir Dinge nicht ändern können. Dieses Gefühl hilft uns, die Welt so anzunehmen wie sie ist und sie hilft uns loszulassen, was wir nicht festhalten können.

Sie ist die Voraussetzung, um in einer Welt zu leben, in der die Dinge kommen und gehen. In einer Welt voller Wandel, in der nichts bleibt, wie es ist.

Erst das Grundgefühl der Trauer ermöglicht uns, voller Vertrauen in eine ungewisse Zukunft zu schauen. Wer nicht trauern kann, der „hockt“ auf seinen Erlebnissen, die er nicht loslassen kann.

Trauer ist wie Platzhalter, der eine entstehende oder entstandene Lücke schließt. An die Stelle dessen, was einmal war und was nun geht, kommt die Trauer. Auch sie will gefühlt werden.

Trauer ist keine Frage des Heulens, der Tränen, der körperlichen Schwere, sondern – wie gesagt – des Fühlens. Erst wenn wir in das Gefühl hineingehen, können die Dinge und Gedanken gehen, an denen wir gerne festhalten würden.

Tränen sind ein Weg, seine Trauer zu zeigen. Aber wer traurig ist, muss nicht weinen, und wer weint, muss nicht unbedingt traurig sein. Solch „falsche“ Tränen bezeichnet der Volksmund als Krokodilstränen.

Die Trauern hilft uns nicht nur loszulassen, sondern auch das anzunehmen, was ist und was sich nicht ändern lässt. Wut hilft uns das zu ändern, was wir ändern können. In diesem Zusammenhang wird auch das bekannte Gelassenheitsgebet des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr verständlich. Es heißt:

„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Anstelle von Gelassenheit könnte man auch einsetzen: „Gib mir die Fähigkeit zu trauen um die Dinge, die ich nicht ändern kann …“

Wer nicht fähig ist zu trauern und loszulassen, wird irgendwann wütend werden auf das Leben und seine überraschenden Wendungen. So habe ich einmal eine Frau gecoacht, deren Schwester an Krebs gestorben ist und die sie nicht „gehen“ lassen konnte. Mit der Zeit entwickelte sich ein tiefer Groll gegen diese Schwester, die „einfach“ so gegangen ist.

Die Angst​

Angst bekommen wir bei der Vorstellung, dass wir mit einer bestimmten Situation nicht umgehen können. Es ist weniger das Neue an und für sich, das wir als beängstigend empfinden, sondern unsere vermutete oder erklärte Unfähigkeit mit dem Neuen umgehen zu können. Wir fürchten die Blamage und die Scham.

Aber wer will schon von sich wissen, dass er unfähig ist? Lieber projizieren wir unsere Angst auf ein Ereignis in der Zukunft, auf eine Person, die uns mit ihrem Verhalten an unsere Grenzen bringt. So können wir die Verantwortlichkeit für unsere Angst an diese „gefährliche“ Person abgeben.

Die Angst lässt uns ausweichen und bestimmte Situationen und Personen meiden. Natürlich ist das ein möglicher Weg, sie nicht mehr zu spüren. Aber eigentlich geht es darum, dass wir nicht in die Verlegenheit kommen, unsere vermutete oder bereits erlebte Unfähigkeit zu erleben.

Es liegt auf der Hand, dass wenn wir unsere Angst in den Griff bekommen wollen, wir unsere Verhaltensstrategien anschauen müssen. Unsere Reaktionen auf bestimmte Auslöser.

Je kleiner und enger unser Verhaltensrepertoire ist, desto mehr und desto öfter haben wir Angst. Ich behaupte, dass je mehr jemand sein Leben nach Schema F plant und kontrolliert, desto mehr machen ihn Neuerungen und Überraschungen angst. Er weiß nicht, wie er mit ihnen umgehen kann.

Warum nehmen uns Haftpflichtversicherungen, Lebensversicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherungen, Zahnersatzversicherungen usw. am Ende trotzdem nicht die Angst? Wir schließen eine Lebensversicherung ab – und die Angst bleibt. Wir schließen eine Hausratversicherung ab – und die Angst vor dem materiellen Verlust bleibt.

Der Grund ist der, dass wir uns nicht gegen die Angst versichern, sondern allein gegen den materiellen Schaden.

Wir können zwar eine Berufsunfähigkeits-Versicherung abschließen, aber trotzdem fühlen wir uns nicht sicher. Denn wir wissen nicht, wie wir gegebenenfalls mit der Arbeitslosigkeit umgehen werden. Wie sollen wir mit der vielen freien Zeit umgehen? Wie den Freunden die neue Situation erklären? Wie auf die Reaktion des Partners reagieren? Finanziell kann uns eine Versicherung leicht abfedern, aber die eigentlichen Fragen bleiben: „Was mache ich, wenn … ?“ und wir haben keine Antwort darauf.

Wir erwarten von uns, auf alles vorbereitet – versichert – zu sein. Doch was hat das mit dem Leben zu tun? Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Statt sich diesem „chaotischen“ Stil des Lebens zu fügen und die Dinge, die kommen, geschehen zu lassen, klammern wir uns an Altbewährtes und wollen uns beim nächsten Mal nicht wieder überraschen lassen. Also wird noch stärker geplant und noch intensiver kontrolliert. Doch: erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Fehlendes Vertrauen​

Blöderweise – ich kann es nicht anders sagen – erleben wir vor allem Glück in Momenten, in denen etwas Neues und Ungewohntes passiert. In denen wir gefordert sind. In denen wir etwas schaffen müssen, was wir bisher nicht geschafft haben. Unser Körper belohnt uns mit Glückshormonen, wenn Neues uns auffrischt. Der Verstand giert nach kniffligen Aufgaben und nicht nach Routinen, die schnell in Gedankenkarussells enden oder zu einer mentalen Austrockung führen.

Routinen wiegen uns in Sicherheit, machen uns aber nicht glücklich. Im besten Fall zufrieden. Je stärker wir unser Leben in eine gewisse Sicherheit hineinarbeiten, desto mehr nähern wir uns einem Leben im Wachkoma.

Angst ist das Grundgefühl, das uns sagt: wenn du mich überwindest, wirst du mit Glück belohnt.

Angst ist der Polarstern, der dich zum Glück führt.

Was uns fehlt ist das Vertrauen in uns selbst. Eigentlich haben wir alles, was wir brauchen, um mit einer neuen Situation umzugehen.

In unserer Gesellschaft, die von jedem einzelnen erwartet, dass er Topleistungen bringt, erwarten wir perfekte Routine als Ausdruck fachlichen Könnens. Es ist gleichzeitig die gegenseitige Erziehung zu mehr Langeweile durch Können. Was wunder, wenn wir nach nur kurzer Zeit Urlaub brauchen. Eine Auszeit von der Langeweile der Routine.

Wenn dir also wieder einmal die Angst begegnet, schau durch sie hindurch und frage dich, was erwartet dich dahinter und spiele verschiedene Szenarien durch, wie du auf diese Herausforderung reagieren kannst.

Lass deine Kreativität spielen. Spiele im Kopf verschiedene Verhaltensweisen und Reaktionen durch, wie du auf das Neue reagieren könntest. Wichtig ist es, dir verschiedene Reaktionen vorzustellen und nicht nur eine – die du dann perfekt machen willst. Da würde die Furcht nicht weit weg sein.

Wenn dir das gelingt, dann öffnet sich für dich das Leben in seiner ganzen Fülle.

Emotionen

Weder Empfindungen noch Grundgefühle sind ein Problem, solange sie sich auf gesunde Art und Weise zeigen dürfen. Wir werden wütend, wenn irgendetwas für uns nicht stimmt. Wir trauern, wenn wir etwas loslassen müssen. Wir freuen uns, wenn alles in Ordnung ist.

Gefühle kommen und gehen – das ist ihre Natur. So erfüllen sie ihre Aufgabe und lösen sich auf, soald sie eine Zeit lang gefühlt worden sind. So gesehen ist es ein Unding, Gefühle zu versprechen. Beispielsweise zu versprechen, nie wieder wütend zu sein.

Problematisch ist es, wenn Gefühle dort nicht sein dürfen, wo sie eigentlich sein sollten. Wenn sie unterdrückt werden.

Nicht ausgelebte Gefühle zusammen mit unterdrückten Gedanken verkleistern zu einem starren Block, den wir wie einen schweren Rucksack mit uns rumtragen. Ein solcher Block ist eine Emotion. Sie sind wie ein Pulverfass mit kurzer Lunte.

Die Begriffe „Gefühle“ und „Emotionen“ werden oft synonym verwendet. Für die Gespräche im Alltag ist das ohne Bedeutung. Wir wissen ja, was in etwa gemeint ist.

Wenn wir aber unseren Stress loswerden und an uns arbeiten wollen, dann ist es sehr wohl hilfreich, genau zwischen Gefühlen und Emotionen zu unterscheiden. Menschen, die mit sich im Reinen sind, ihren inneren Frieden gefunden haben und nach außen sehr ausgeglichen wirken, haben nach wie vor auch heftige Gefühle. Diese aber sind nur für kurze Zeit präsent. Und ihre Gefühle passen zu den jeweiligen Situationen. Sie verlaufen angemessen.

Menschen mit unaufgelösten Emotionsblöcken überkommt wie aus heiterem Himmel eine geballten Ladung Wut oder Angst oder Trauer mit den entsprechenden Glaubenssätzen und Gedankenschleifen.

Sollte ein uns nahe stehender Menschen plötzlich versterben, dann ist Wut über seinen Tod sicherlich das falsche Gefühl. Sollte uns eine Situation schwer zu schaffen machen, dann ist ein fröhliches „Das schaff ich schon“ sicherlich nicht angesagt. Sollte uns ein Mensch ärgern, dann ist eine wortlose resignierte Traurigkeit das falsche Gefühl. Eine solche Situation verlangt Wut. Eine Wut, die uns Kraft gibt, uns zu wehren.

Die unterdrückten Gedanken und Überzeugungen einer Emotion wollen „an die Luft“. Raus aus dem Käfig einer Emotion. In dieser Not, einen Weg raus aus dem Körper zu finden, schnappt sich eine Emotion jede Gelegenheit, um auszubrechen. Jede! So kann es passieren, dass unsere Reaktion völlig schräg wirkt. Auf andere und uns selbst. Wir glauben neben uns zu stehen.

Unsere bewährten und kontrollierten Strategien wirken nicht mehr. Ungefühlte Gefühle und Gedanken überrollen uns.

Gefühle wollen gefühlt und Emotionen befreit werden.​

Beispiel Eifersucht

Ein einfaches Beispiel soll eine Emotion verdeutlichen. Der Ehemann einer Frau namens Eva flirtet in den gemeinsamen Ferien immer wieder mit anderen Urlaubsbekanntschaften. Eva wird eifersüchtig, verbietet sich aber diese Eifersucht. Sie will den Urlaub harmonisch verlaufen lassen.

Sie wird auf ihren Ehemann Peter zwar wütend, aber behält diese Wut für sich. Sie findet ihn rücksichtslos, grob, nimmt aber diese Gedanken mit in den Schlaf.

Der Urlaub verläuft friedlich, aber nicht harmonisch. Ihre nicht ausgedrückten Gefühle, ihre unausgesprochenen Gedanken belasten sie zunehmend und sie geht mehr und mehr auf Distanz zu Peter. Es bildet sich eine Emotion.

Zurück in Frankfurt belastet diese unausgesprochene Emotion ihre Beziehung. Als Peter einmal beim gemeinsamen Einkauf einer Frau nachsieht, macht Eva ihrem Mann eine Szene. Sie habe es so satt mit ihm … Ihre Emotion entlädt sich unkontrolliert.

Emotionen warten nicht, bis es für uns passt. Sie sind wie Knetgummi, den wir zwischen in unserer Hand zusammendrücken und der zwischen den Fingern rausquillt.